Leseprobe

Eins

iris-lieserDie Kinder hatten mich viel zu früh aus dem Bett gescheucht, damit wir auf jeden Fall noch vor der verabredeten Zeit mit allem fertig wären. Die beiden Großen waren kaum zu bremsen, gingen freiwillig duschen, zogen ihre schönste Kleidung an und deckten bereits um sieben Uhr morgens den Frühstückstisch mit dem besten Geschirr. Am Vortag war ich mit Kristin im Supermarkt gewesen und hatte mehr eingekauft, als ich je zuvor in einen Einkaufswagen geladen hatte. Sämtliche Lebensmittel, die Peter gern aß, fanden ihren Weg hinein.
Irgendwann streikte ich.
»Wir haben jetzt wirklich alles, was Papa gern mag.«
»Nein, du hast den Käse vergessen!«
»Habe ich nicht«, widersprach ich ihr und zog den Beweis zwischen Gemüse und Milchpackungen hervor.
»Siehst du? Vier verschiedene Sorten.«
»Das reicht nicht!« Meine Tochter schüttelte unzufrieden den Kopf.
»Doch, das reicht sogar für die ganze Woche.«
»Nein, es ist kein alter Holländer dabei.«
»Aber mittelalter und junger, daneben noch Edamer und Appenzeller. Das ist genug.«
»Nein!« Kristin stampfte bockig mit dem Fuß auf. »Dann kaufe ich ihn eben. Ich habe extra mein Taschengeld mitgenommen.« Eilig lief sie zur Käsetheke zurück und stellte sich in die Schlange. Fünf Minuten später stand sie höchst kleinlaut wieder neben mir. Heimlich grinsend tat ich so, als würde ich ihre Not nicht bemerken, ließ sie schmoren und legte an der Kasse ihre Tüte getrennt von meinen Einkäufen aufs Band.
»Mama?«
»Ja?« Äußerlich blieb ich gelassen, während ich im Inneren vor Lachen fast platzte.
»Kannst du mir siebzig Cent leihen? Ich wusste nicht, wie teuer Papas Käse ist.«
»Nein!«
»Warum nicht?« Es klang kläglich.
Ich erbarmte mich, nahm sie in den Arm und küsste sie auf die Wange.
»Du kleine, große, dumme Maus! Als ob du dein Taschengeld für Käse opfern müsstest.« Ihre Augen leuchteten auf. Erleichtert sprang sie davon, kehrte aber bereits zurück, noch bevor ich bezahlt hatte. In der Hand hielt sie eine gelbe Rose.
»Dann ist die von mir für Papa. Die Frau im Blumenladen wollte mein Geld nicht und hat sie mir geschenkt, als ich ihr erzählte, dass er morgen aus dem Krankenhaus kommt.«

Die Rose bekam ihren Ehrenplatz vor Peters Gedeck. Mit Mühe konnte ich die Kinder davon abhalten, zwei Stunden zu früh den Kühlschrank zu plündern, um auf jeden Fall alles fertig vorbereitet zu haben.
»Jetzt seid doch mal vernünftig!«, schimpfte ich in mildem Ton. »Ich kann Papa erst abholen, wenn die letzte Infusion durchgelaufen ist. Das ist aber erst in anderthalb Stunden! Plus eine halbe Stunde Autofahrt. Bis dahin werden die Sachen schlecht, wenn sie nicht gekühlt werden.«
»So lange noch? Was sollen wir denn bis dahin machen?«, maulte David.
»Wollt ihr Sophie baden? Zieht euch vorher aber andere Klamotten an.«
»Au ja!« Drei begeisterte Kinder schossen die Treppe hinauf, und in den nächsten dreißig Minuten hörte ich nur noch Wasser plätschern und lautes Gelächter. Ich wusste, dass mich im Badezimmer ein heilloses Chaos erwartete. Aber ich brauchte ein paar Minuten für mich allein. War die Vorfreude meiner Kinder auf Peters Heimkehr schon riesig, meine war mit Gewissheit noch größer.
Still saß ich in der Küche, genoss das unbeschreibliche Hochgefühl, das Herzklopfen und das Kribbeln auf meiner Haut. Vor sechs Tagen hatte ich noch insgeheim befürchtet, er käme nie wieder nach Hause. Es war eine irrationale Angst, bedingt durch die grausamen Befunde und die Reaktionen der Ärzte. Nun waren es nur noch knapp zwei Stunden, bis Peter mit uns am Frühstückstisch sitzen, seine Späße mit den Kindern machen und mir sein liebevolles Lächeln schenken würde. Das Gefühl des Glücks war so groß, dass ich es kaum aushalten konnte.
»Wir können los, Mama! Ich bin fertig!« Sophie glänzte wie eine Speckschwarte, hatte noch nasse Haare und den Pullover verkehrt herum angezogen. Mein Glücksgefühl machte eine Pause, denn ich benötigte fast eine Stunde, um Kind und Bad zu trocknen und in einen halbwegs passablen Zustand zu versetzen.
In der Zwischenzeit waren David und Kristin beim Bäcker gewesen. Der Größe der Tüte nach hatten sie vermutlich weit mehr gekauft, als ich ihnen aufgetragen hatte. Zu viert fieberten wir Peter entgegen, als käme er von einer mehrmonatigen Reise zurück.

Zwei

»Reg dich nicht auf, ist doch nicht viel passiert!« Peter half mir, den Kakao aufzuwischen. Seit er seinen Frust ausgesprochen hatte, war er wie verwandelt. Die Resignation war verschwunden, und er schien neuen Mut gefasst zu haben. Als die Folgen von Sophies Missgeschick beseitigt waren, setzten wir uns erneut an den Tisch. Es war Pech, dass Peter dabei mit dem Arm gegen sein Glas stieß. Über die gerade gereinigten Flächen lief nun klebriger Apfelsaft.
Ich zählte innerlich bis zehn. Mein Vorsatz, sanft, geduldig und nachgiebig zu sein, geriet heftig ins Wanken. Bei der sieben hatte ich mich wieder im Griff.
»Ist doch nicht viel passiert«, wiederholte ich Peters Worte und hantierte erneut mit Küchenpapier. Peter schwieg. Er wischte und tupfte mit verkniffenem Gesicht, was ich auf den Zorn über seine Ungeschicklichkeit zurückführte.
»Es reicht«, sagte er plötzlich laut.
»Stimmt. Für heute haben wir genug geputzt«, lachte ich verkrampft.
»Das meinte ich nicht. Leg mal den Lappen weg, ich muss mit dir reden.«
Es klang vorwurfsvoll. Ich war mir allerdings keiner Schuld bewusst. Im Gegenteil, ich war noch nie so entgegenkommend, so ausgeglichen und liebevoll gewesen wie in der letzten Zeit. Egal, ob es beim Floristen oder beim Konditor war, wo ich ihn widerspruchslos sowohl die Blumen als auch die Torte aussuchen ließ; egal, ob er spazieren gehen oder Fahrrad fahren, sich ausruhen oder mit Freunden treffen wollte: Ich hatte alles mitgemacht und ihn unterstützt, hatte jeden Einwand für mich behalten und seinen Wünschen Vorrang vor meinen eigenen eingeräumt.
Es war nicht immer einfach gewesen. Hin und wieder musste ich den aufkeimenden Protest ganz bewusst herunterschlucken. Und auch mein Lächeln war nicht immer ganz aufrichtig. Doch ich bildete mir ein, dass Peter mit seiner neuen, sanften Frau recht glücklich und zufrieden war. Auch wenn ich des Öfteren seinen verwunderten Blick spürte.
Umso überraschter war ich jetzt.
»Ich finde dein Verhalten ganz furchtbar.«
»Mein Verhalten? Welches …«
»Begreifst du denn nicht? Es ist schön, dass du dir Mühe gibst, ganz besonders lieb zu mir zu sein. Aber ich kenne dich doch. Ich weiß, wann dir was nicht passt. Zu allem sagst du Ja und Amen – das bist doch nicht du. Und jedes Mal erinnert mich deine Reaktion daran, dass ich krank bin. Dass du mich schonen willst, damit die Zeit, die mir noch bleibt, so schön wie möglich wird. Harmonie um jeden Preis, auch wenn du dich selbst dabei verleugnest.«
Er griff nach seinem Glas und trank einen Schluck.
Das ist ungerecht, war mein erster Gedanke. Das ist die Wahrheit mein zweiter.
»Aber ich …«, setzte ich an.
»Kein Aber!« Er sah etwas verzweifelt aus. »Vielleicht kannst du es dir nicht vorstellen: Ja, ich bin krank. Ja, vielleicht werde ich sterben. Aber das einzige, was ich mir im Moment wünsche, ist Normalität. Ein ganz normales Leben, solange es eben machbar ist. Es ist schlimm genug, dass ich gezwungen werde, zu Hause zu bleiben, auch wenn ich euch alle liebe und von ganzem Herzen dankbar für dieses schöne Zuhause bin. Doch noch fühle ich mich gesund, auch wenn ich weiß, dass ich es nicht bin. Ich könnte ohne Probleme arbeiten gehen.
Wenn jetzt auch noch meine Frau so anders ist, als ich sie kenne, immer nur nett, immer nur liebevoll … Ach verdammt, ich weiß es doch auch nicht. Früher warst du zickig, hast gemeckert und deine Launen an mir ausgelassen. Und seit der Diagnose bist du total verändert. Viel zu lieb für meinen Geschmack. Ich möchte mich wieder mit dir streiten, ich möchte wieder mit dir diskutieren. Mir fehlt das Blitzen in deinen Augen und die Art, wie du sie zusammenziehst, wenn du sauer bist. Ich will meine vertraute Frau zurück.«
Das war mit Abstand die merkwürdigste Liebeserklärung, die er mir je gemacht hatte. Ich starrte ihn mit offenem Mund an. Auf einmal zuckte es um seine Mundwinkel, und in seinen Augenwinkeln erschienen Lachfältchen. Wie auf Kommando prusteten wir beide los. Wir lachten und lachten….

Drei

Am Tag, an dem ich Peter erneut in die Klinik brachte, wo er vom Pflegepersonal wie ein alter Bekannter begrüßt wurde, klapperte ich die großen Gärtnereien unserer Stadt ab. Kathrin und Bernd hatten nach ihrem Umzug zwei Kugelakazien hinter ihr Haus gepflanzt. Seitdem hatte Peter bei jedem Besuch darauf hingewiesen, wie sehr ihm diese Bäume gefielen.
»Das wäre doch was für unsere Vorgärten. Stell dir mal vor, wie schön sie rechts und links von der Haustür aussehen würden.«
»Kann sein«, gab ich zu. »Vielleicht im nächsten Jahr. Jetzt brauchen wir erst mal die neue Waschmaschine. Es sieht doch auch so ganz hübsch bei uns aus.«
Drei Paar dringend notwendige Schuhe für die schnell wachsenden Kinderfüße, ein neues Fahrrad für Peter, dessen altes allmählich nur noch vom Rost zusammengehalten wurde, ein größeres Bett für Sophie, die im Schlaf für die deutschen Meisterschaften im Kunstturnen zu üben schien und fast täglich neben ihrem Kinderbett lag, wenn wir sie weckten. Das Finanzamt forderte eine Nachzahlung. Diavolo verletzte sich an einem Zaun, und die Tierarztrechnung riss ein großes Loch in unsere Kasse. Es gab immer einen Grund, die Vorgärten in ihrem Zustand zu belassen.
»Vielleicht im nächsten Jahr« wurde zum geflügelten Satz. Peter verdiente zwar nicht schlecht. Da wir aber mit nur wenig Eigenkapital gebaut hatten, schluckten die Zinsen einen gehörigen Batzen, sodass bei einem Fünfpersonenhaushalt am Ende des Monats keine größeren Summen übrig blieben.
Doch der Verweis auf das kommende Jahr galt jetzt nicht mehr. Die Kugelakazien mussten her, koste es, was es wolle. Mein Bedürfnis, Peter eine Freude zumachen, seine Überraschung und das Aufleuchten seiner Augen zu sehen, wenn er in zwei Tagen nach Hause käme, warf alle finanziellen Bedenken über Bord.
Egal, dass der neue Zahnriemen für unser Auto seit Monaten überfällig war und der Mechaniker schon im November vor den Konsequenzen gewarnt hatte, die auf uns zukämen, sollte der alte reißen. Dann mussten wir eben auf unsere eisernen Reserven zurückgreifen, die wir für Notfälle zurückgelegt hatten. Das verflixte Geld konnte nur einen einzigen Zweck erfüllen: Meinen Mann glücklich zu machen.
Erst in der vierten Baumschule fand ich das Gesuchte. Ich hatte mir in den Kopf gesetzt, dass die Bäume noch heute, spätestens aber morgen eingepflanzt sein mussten. Allerdings hatte ich mir dieses Unterfangen einfacher vorgestellt. In etwa so wie den Kauf einer größeren Topfpflanze. Ich war davon ausgegangen, sie im Auto nach Hause zu transportieren, dort schnell zwei Löcher zu graben und die Bäume hineinzustellen.
Wie naiv diese Vorstellung war, merkte ich, als ich neben den knapp drei Meter hohen Pflanzen stand. Nicht nur an der Höhe scheiterte ich, sondern auch an den schweren Kübeln, in denen sie wuchsen. Niemals könnte ich diese allein aus dem Wagen heben. Verzagt wandte ich mich an einen Mitarbeiter, der ein paar Meter entfernt mit einem Wasserschlauch hantierte, und schilderte ihm mein Dilemma.
»Kein Problem!« Er lächelte entgegenkommend. »Wir bringen Ihnen die Bäume vorbei. Wann wäre es Ihnen recht?« Er zog einen Terminkalender aus dem Overall und blätterte in den Seiten. »Wir könnten Dienstagvormittag zwischen zehn und zwölf kommen. Oder Mittwochnachmittag ab drei.«
Aus. Keine Überraschung. Keine strahlenden Augen. Ich hätte vor Enttäuschung am liebsten geweint.
»Geht es nicht heute oder morgen? Es ist nämlich so, dass …« Und dann erzählte ich einem wildfremden Menschen die ganze Geschichte in Kurzform. Sein verbindliches Lächeln verschwand und wich echter Betroffenheit. Nach einem Augenblick des Nachdenkens hellten sich seine Gesichtszüge wieder auf.
»Chef!«, rief er laut.
»Ja?«, kam die Antwort aus einer Ecke.
»Kann ich in der Mittagspause den Lieferwagen haben?«
»Wozu?«
»Wir haben hier einen Notfall.« Ich musste lachen. So konnte man es auch sehen.
»Einen Notfall?« Die Stimme klang verwundert. Sie gehörte zu einem älteren Mann, der sich uns mit neugierigem Blick näherte.
»Ich muss dieser Dame hier so schnell wie möglich zwei Bäume bringen. Sie hat ihren Wagen wohl ein wenig überschätzt.« Er zwinkerte mir zu und sah seinen Vorgesetzten eindringlich an.
»Na, wenn es unbedingt sein muss. Aber sei pünktlich zurück. Ab drei Uhr ist die Kiste verplant.«
»Vielen Dank!« Ich strahlte ihn an. »Ich werde Sie mit Freuden weiterempfehlen. Sie wissen gar nicht, wie sehr Sie mir helfen.« Meine Stimme kippte vor Erleichterung.
Aber es sollte noch besser kommen: »Ich bin gegen halb zwei bei Ihnen. Wenn Sie mir einen Kaffee spendieren, helfe ich Ihnen beim Einbuddeln.«
Diesen Mann hatte mir der Himmel geschickt. Er bekam seinen Kaffee. Dazu ein paar Teilchen, die ich noch schnell beim Bäcker besorgt hatte. Er half mir nicht beim Einpflanzen, sondern machte im Grunde alles allein. Meine Kräfte hätten niemals ausgereicht, um solch tiefen Löcher in die von Wurzeln durchzogene Erde zu graben. Da er nach kürzester Zeit in Schweiß gebadet war, versorgte Kristin ihn mit einer Wasserflasche, die Sophie nur Minuten später mit ihrem Roller über den Haufen fuhr.
David lümmelte auf der Bank, sah ihm beim Arbeiten zu und leistete seinen Beitrag, indem er kluge Ratschläge gab. Doch mein rettender Engel grub unbeirrt weiter, und um halb drei standen die Bäume an den vorgesehenen Stellen.
Als ich ihm ein fürstliches Trinkgeld geben wollte, winkte er ab: »Behalten Sie es und machen Sie Ihrem Mann oder ihren zauberhaften Kindern eine Freude damit. Es imponiert mir, wie Sie sich verhalten. Ihnen helfen zu können war mir ein Bedürfnis!«
Zum Glück musste er noch auf die Toilette, bevor er fuhr. Sein Wagen war nicht abgeschlossen. Ich hoffte, er würde den Schein auf dem Beifahrersitz des Lieferwagens erst am Ende der Fahrt entdecken. Auch wenn das, was er für mich getan hatte, unbezahlbar war …

Vier

»Das kannst du nicht machen. Das Gewitter kommt immer näher. Bleib hier, jetzt in den Wald zu gehen ist viel zu gefährlich! Bist du wahnsinnig?«
Ich hörte die besorgten Stimmen, doch sie drangen nicht zu mir durch. Die Betäubung hatte noch nicht nachgelassen. Nachdem wir zu Hause angekommen waren, hatte ich, ohne nachzudenken, Reithose und Stiefel angezogen, mich wieder ins Auto gesetzt und den Weg zum Stall eingeschlagen. Nachdem ich Diavolo unsanft aus seiner Box gezerrt und gesattelt hatte, befanden wir uns nun am Anfang eines langen Reitweges, der wie ausgestorben vor uns lag. Dort, wo sonst Jogger und Spaziergänger, Hundebesitzer und Fahrradfahrer die Reiter zu einem langsamen Tempo zwangen, war heute nichts als bedrohliches, spannungsgeladenes Schweigen. Kein Rascheln, kein Vogelgezwitscher. Die Natur wartete.
Mein Pferd wurde nervös und versuchte umzukehren. Ich ließ Diavolo angaloppieren und trieb ihn sofort zu einem hohen Tempo. Weg, nur weg von diesen grausamen drei Worten, hinein in das Halbdunkel des atemlosen Waldes. »Drei kleine Lungenmetastasen« hallte die Stimme meines Chefs in meinem Ohr.
Schlagartig öffnete der Himmel seine Schleusen. Blitze zuckten, gefolgt von sich näherndem Donnergrollen. Weltuntergang. Meine Welt war vor zwei Stunden untergegangen.
Diavolo rannte mit gesenktem Kopf und angelegten Ohren. Innerhalb von Sekunden waren wir völlig durchnässt. Aber endlich konnte ich schreien, konnte meinem Entsetzen und meinem unerträglichen Schmerz Ausdruck verleihen. Meine Panik übertrug sich auf das Tier, es erhöhte die Geschwindigkeit, stürmte den Weg entlang und versuchte vergeblich, vor dieser hysterischen Irren auf seinem Rücken zu fliehen, die ununterbrochen »Nein!« oder »Ich ertrage das nicht!« brüllte.
»Drei kleine Lungenmetastasen« bedeuteten das endgültige Aus. Weder die Worte »Sie beide müssen jetzt sehr stark sein« noch der Satz »Sie werden in Monaten denken müssen« hatten mich dermaßen tief erschüttert wie dieser verheerende Befund, den Professor Welter vor einer Stunde ausgesprochen hatte.
»Drei kleine Lungenmetastasen« zerstörten jede Hoffnung, die im März noch möglich gewesen war und die sich in den letzten Wochen manifestiert hatte. An einem ganz normalen Donnerstag Ende August hatte der Krebs die Chemotherapie besiegt. Nicht umgekehrt.